Inkongruente Gewinnausschüttung
Gestaltungsspielraum für Gesellschafter durch inkongruente Gewinnverteilung
Einigen sich Gesellschafter einer GmbH auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Verteilung des Gewinns, so spricht man von einer inkongruenten Gewinnausschüttung. Diese Gestaltungsmöglichkeit ermöglicht Gesellschaftern zusätzliche Steuerlasten zu verhindern oder Verlustvorträge optimal steuerlich zu nutzen sowie ausgeschüttete Gewinne auch wieder inkongruent in die Gesellschaft einbringen. Auch nichtsteuerliche Gründe, wie besondere persönliche Beiträge einzelner Gesellschafter für die Gesellschaft, können für eine solche Gestaltungsmöglichkeit sprechen.
Der Bundesgerichtshof hat bereits in der Vergangenheit die steuerliche Anerkennung dieser Gestaltungsmöglichkeit grundsätzlich bejaht. Die Finanzverwaltung hingegen hat die steuerliche Anerkennung nur ausnahmsweise zugelassen und argumentierte häufig mit dem Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO (Abgabenordnung). Steuerlich wurde die inkongruente Gewinnausschüttung somit nur anerkannt, wenn sie aufgrund besonderer, wirtschaftlich beachtlicher Leistungen des betreffenden Gesellschafters gerechtfertigt erschien und kein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO vorliegt.
Sowohl Finanzverwaltung als auch die Rechtsprechung erkennen die inkongruente Gewinnausschüttung an, wenn die vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende Verteilung des Gewinns zivilrechtlich wirksam bestimmt worden ist. Somit war von einer Anerkennung in jedem Fall auszugehen, wenn im Gesellschaftsvertrag der GmbH gem. § 29 Absatz 3 Satz 2 GmbHG neben der Verteilung des Gewinns nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile auch eine vom Verhältnis der Geschäftsanteile abweichende Gewinnverteilung möglich ist. Beim Fehlen einer solchen Regelung ist eine Änderung des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung gem. § 53 Absatz 3 GmbHG mit Zustimmung aller beteiligten Gesellschafter angezeigt. Fehlt eine solche konkrete Regelung für die Verteilung des Gewinns, können die Gesellschafter auch auf Grundlage des Gesellschaftsvertrages jährlich über eine abweichende Gewinnverteilung beschließen. Es ist zu prüfen, ob für einen solchen Beschluss Einstimmigkeit vorliegen muss oder ob ein Mehrheitsbeschluss ausreicht. Soweit ein Mehrheitsbeschluss ausreicht, ist darauf zu achten, dass die Gesellschafter, die einen Gewinnanteil unterhalb Ihrer Beteiligungsquote erhalten, beteiligt werden. Die Regelung über das Ausreichen eines Mehrheitsbeschlusses sollte auch bei Aufnahme neuer Gesellschafter kritisch überprüft werden. Durch Aufnahme neuer Gesellschaften können sich die Beteiligungen soweit ändern, dass die Mehrheit der Gesellschafter anders gelagert ist.
Im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Wirksamkeit hat der BFH in seinem neusten Urteil v. 28.09.2022, VIII R 20/20 entgegen des BMF-Schreibens vom 17.12.2013, BStBl I 2014, S. 63 entschieden, dass Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse auch ohne eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag zivilrechtlich anerkannt werden können. Wenn somit keine Regelungen zur Gewinnverteilung oder keine Öffnungsklausel (§ 29 Abs. 3 GmbHG) im Gesellschaftsvertrag vorhanden sind, ist die inkongruente Gewinnausschüttung durch punktuelle satzungsdurchbrechende Beschlüsse wirksam, sofern alle Gesellschafter der inkongruenten Gewinnverteilung zugestimmt haben und der Beschluss dadurch unanfechtbar geworden ist.
Trotz dieser neuen Entscheidung sind die Grundsätze des Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO nicht außer Acht zu lassen. Ein Gestaltungsmissbrauch und somit die Nichtigkeit des Beschlusses ist beispielsweise anzunehmen, wenn ohne die Einhaltung materieller und formeller Bestimmungen einer Satzungsänderung der Gesellschafterbeschluss zur Gewinnverteilung Dauerwirkung entfaltet.
Um auf ggf. weitere Änderungen in der Rechtsprechung reagieren zu können, ist eine Überprüfung und entsprechende Anpassung der Satzung dennoch zu empfehlen.