Rechtsschein des abberufenen GmbH-Geschäftsführers

Der BGH hatte sich in seinem Urteil vom 09.01.2024 (II ZR 220/22) damit zu beschäftigen, ob ein abberufener GmbH-Geschäftsführer noch zur Vertretung der GmbH befugt ist.

Eine GmbH mit zwei Gesellschafterinnen, die in der Projektentwicklung im Immobilienbereich tätig war, erwarb 2015 ein mit einem Wohnhaus und einem Geschäftshaus bebautes Grundstück am Ku'damm in Berlin mit einem Verkehrswert von etwa 16 Millionen Euro. Dieses Grundstück stellte im Wesentlichen den einzigen Vermögenswert der GmbH dar. Drei Jahre später stimmte die Mehrheitsgesellschafterin in einer Gesellschafterversammlung gegen die Minderheitsgesellschafterin für die Abberufung des Geschäftsführers. Die Wirksamkeit dieses Beschlusses wurde sowohl vom abberufenen Geschäftsführer als auch von der Minderheitsgesellschafterin bezweifelt.

Zwei Tage nach dieser Versammlung verkaufte die GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, das Grundstück für 12,2 Millionen Euro an einen Dritten. Der Käufer behauptete, der Notar habe das Fehlen eines Gesellschafterbeschlusses über den Verkauf für unschädlich gehalten. Er erklärte weiter, dass er zwar wusste, dass der Geschäftsführer abberufen worden war, er aber auch die Zweifel zur Wirksamkeit der Abberufung kannte. Die GmbH verlangte vergeblich von dem Käufer die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung. Sowohl das Landgericht Berlin als auch das Kammergericht Berlin wiesen die Klage ab. Vor dem BGH verfolgte die GmbH ihre Forderung weiter – zunächst mit Erfolg.

Nach Ansicht des BGH war der Geschäftsführer tatsächlich nicht mehr befugt, den Verkauf des Grundstücks durchzuführen, weil seine Bestellung als Geschäftsführer auf der Gesellschafterversammlung wirksam widerrufen worden war.

Die GmbH müsse sich aber grundsätzlich zurechnen lassen, dass der Geschäftsführer zum Beurkundungsdatum laut Handelsregister noch immer befugt war, den Verkauf durchzuführen, weil seine Abberufung dort noch nicht eingetragen war. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Käufer positive Kenntnis von der wirksamen Abberufung gehabt hätte. Nach Ansicht des BGH sei hierbei wesentlich zwischen der Kenntnis von dem Beschluss und der Kenntnis von der wirksamen Abberufung zu unterscheiden: Dem Käufer könne keine positive Kenntnis unterstellt werden, weil der Geschäftsführer wusste, dass Zweifel an dem Widerrufsbeschluss bestanden, die unter Umständen eine Beschlussmängelklage nach sich ziehen konnten. Auch § 47 Abs. 1 GmbHG, wonach die Abberufung eines Geschäftsführers nur einer einfachen Mehrheit bedarf, ändere hieran nichts, da eine GmbH schließlich frei sei, ein höheres Quorum für diese Frage in ihrer Satzung zu vereinbaren. Auch habe der Käufer nicht weiter nachforschen müssen.

Der BGH bezweifelt jedoch die Annahme des Kammergerichts, dass sich kein Missbrauch der Vertretungsmacht feststellen lasse. Immerhin setze der Verkauf des wesentlichen Vermögenswerts der GmbH nach § 49 Abs. 2 GmbHG einen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter voraus, den es nicht gegeben habe. In diesen Fällen müsse sich dem Käufer – ohne gegenteiligen rechtlichen Rat – geradezu aufdrängen, dass der Geschäftsführer hier ohne Vertretungsmacht handele, wenn er keinen Gesellschafterbeschluss hierzu vorlege. Das Berufen des Käufers auf die Auskunft des Notars, das Fehlen sei unschädlich, sei im Prozess – zumindest bislang – nicht nachgewiesen worden. Das Kammergericht habe sich mit diesem Punkt nicht ausreichend auseinandersetzt, weswegen die Sache an das Kammergericht zurückverwiesen wurde.

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